| Glastonbury 2011. Während sich der Auftritt von Fenech-Soler in einem überfüllten Zelt  voll von Leuten, die ihre Musik allesamt kennen und lieben, dem Ende zuneigt,  erleben die vier Bandmitglieder einen Moment der emotionalen Überwältigung. Fenech-Soler wurden wiedergeboren an  einem Ort, der für uralte Mythologien, heilige Linien und Naturenergien bekannt  ist. Es ist ein stürmischer und kraftstiftender Moment, der die Band für alles  entlohnt, was sie in den vorangegangenen Monaten durchmachen mussten.   Nach einer viermonatigen Zwangspause, die schon kurz nach  der Veröffentlichung ihres Debütalbums ,Fenech-Soler‘ begann, machte sich das Quartett große Sorgen: „Interessiert sich überhaupt  noch irgendwer für die Band?“, erinnert sich Bassist Daniel Soler an die  kollektive Angst vor dem Auftritt. Ihre Nerven konnten sich entspannen, als sie  die Bühne betraten und von einem Meer aus Gesichtern begrüßt wurden; und von  vielen mehr, die noch versuchten, sich ins Zelt zu zwängen. „Die Reaktion hat  uns die Energie gegeben, alles noch weiter voranzutreiben. Es war ein bisschen  wie der Anbruch einer neuen Ära.“ Einige Monate zuvor, als ihre Single "Demons" gerade hoch im Kurs bei BBC Radio 1 stand und sie sich auf  eine ausverkaufte Tour durch Großbritannien vorbereiteten, wurden sie in ihrem  Tatendrang plötzlich und abrupt ausgebremst. Bei Sänger Ben war Krebs  diagnostiziert worden. Nach einer ersten Operation ging die Band noch kurz auf  Tour in Australien. Im Anschluss kehrte er nach Hause zurück, wo er sich drei  Chemotherapie-Behandlungen in drei Monaten unterzog, von denen er sich im  Anschluss noch für einige weitere Wochen erholen musste. Unfassbar ist, dass  bei seinem Bruder Ross, Gitarrist der Band, viele Jahre zuvor die gleiche  Diagnose gestellt worden war.   Abgesehen von der Absage der geplanten Tour waren sich  die Bandmitglieder alle einig darüber, dass der Alltag so weit wie möglich  weitergehen musste. Inspiriert von der Perfektion von Phoenix, mit denen  sie  gemeinsam in Australien auf Tour  waren, wandelten Fenech-Soler die  niederschmetternde Nachricht in etwas Positives um und konzentrierten sich  darauf, sich als Live-Band zu verbessern. Nach Bens Erholung war Glastonbury  ihr erster Auftritt. Ein Auftritt, der sich als ihre Auferstehung erweisen  sollte — und diese feierten sie mit drei Auftritten beim Glastonbury-Festival  2013.   „Wir wollten es richtig machen, weil uns alles so einfach  hätte entgleiten können“, sagt Schlagzeuger Andrew. „Wir wollten etwas  herausbringen, mit dem wir wirklich glücklich sind, weil wir wissen, wie  zerbrechlich alles ist — sowohl die Branche selbst als auch als auch die  Menschen, die dazugehören. Es hätte alles jederzeit leicht zu Ende sein  können.“   Die Band war fest entschlossen, auf ihr Debütalbum  aufzubauen und Glastonbury war der Funke, der ihre Kreativität beflügelte und  den Weg für das zweite Album ebnete. ,Rituals‘ ist so eine euphorische Mischung aus pulsierender Energie, die auf die  Dance-Wurzeln der Band zurückgeht, und dem neuerlangten Wunsch, die  Pop-Elemente ihrer Musik weiter in den Vordergrund zu stellen. Die Nische, die  sie damit ausfüllen, lässt sich als elektro-basierte Musik mit einem  schlagenden menschlichen Herz bezeichnen. „Ich denke, dass die Pop-Elemente ganz klar nicht  eingeplant waren, aber wir haben sie genauso wenig ausgeschlossen“, sagt Sänger  Ben Duffy. „Für uns geht es darum, darauf zu achten, was eine gute Pop-Platte  ausmacht. Wir hatten keine Angst davor, ein Pop-Album zu machen. Es geht darum,  auf einer universalen Ebene mit Leuten in Verbindung zu treten, und dabei  trotzdem unseren Wurzeln treu zu bleiben.“ Diese Wurzeln bildeten sich, als das Quartett aus  Northamptonshire die Aufmerksamkeit von Alan Braxe aus dem Umfeld von Daft Punk  erregte und dieser sie bei seinem retro-futuristischen Pariser Label Vulture  unter Vertrag nahm und ihre Debütsingle ,The  Cult of Romance‘ herausbrachte. Es folgten Veröffentlichungen — ,Lies‘ und ,Stop & Stare‘ — auf dem innovativen Independent Elektro-Label  Moda, die ihren Ruf genauso ausbauten wie die Zusammenarbeit mit Groove Armada,  die Fenech-Soler mit auf Tour nahmen  und Ben auch baten, Texte für ihre Single ,Paper  Romance‘ zu schreiben und zu singen.   Bei ,Rituals’ aber  lautete das Motto, mit ihren Kräften neue Höchstleistungen zu bringen. „Der  grundlegende Anspruch, den wir hatten, war, dass jeder Song besser sein muss,  als alle, die wir vorher geschrieben hatten“, betont Daniel. „Das war die ganze  Zeit in unseren Hinterköpfen“.   Die Aufnahmen für ,Rituals‘ fanden über das ganze Jahr 2012 verteilt an zahlreichen Orten statt. Da die  Band sich entschlossen hatte, sich von der Außenwelt abzuschotten, trafen sie  sich zu einer ersten Schreib-Session in einem abgelegenen Haus im Hinterland  von Norfolk. Die anstehenden Aufgaben wurden dann verteilt und alle  Bandmitglieder zogen in verschiedene Richtungen weiter. Ben reiste allein nach  Italien um dort Songs zu schreiben, während Andrew Lindsay, Schlagzeuger und  maßgeblich verantwortlich für die Produktion, sich daran machte, ein Studio zu  bauen, das später das Hauptquartier für den Aufnahme- und Produktionsprozess  werden sollte. Das Studio von Massive Attack sowie abgelegene Ortschaften im  Westen Englands wurden zu weiteren Kulissen, an denen ,Rituals‘ entstand.   Der Albumtitel bezieht sich auf zwei miteinander  verbundene Gedanken — zum einen ist es der Umstand, dass das Leben aller  Menschen von einer Reihe von unterschiedlichen, unausgesprochenen Ritualen  bestimmt wird, zum anderen ist die Arbeit an einem neuen Album für die Band von  ebensolchen Ritualen durchzogen. Textlich umfasst ,Rituals‘ eine große Bandbreite an Themen — von Liebesliedern, die  aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet werden bis hin zu Songs über die  Zukunftsvorstellungen der Band, die sich an vielen Stellen unterbewusst auf  Orte bezieht — Ortswechsel oder die Suche nach neuen Horizonten. Ben erklärt es  so: „Ich wollte, dass die Texte mit der Musik verbunden sind, und nicht nur  einfach darüber gesungen sind, wie bei einer Collage.“   „Wir sind erwachsen geworden und uns gefällt, wer wir als  Band sind und welchen Platz wir in der Musikszene haben“, stimmt Ben zu. „Ich  glaube nicht, dass irgendeine andere Band das tut, was wir tun, besonders nicht  im Dance-Genre. Wir haben immer versucht, Dance Music als Menschen aus Fleisch  und Blut live darzustellen. Das hat uns immer fasziniert.“ Nach all den Herausforderungen, die Fenech-Soler überwunden haben, stellt ,Rituals‘ den Abschluss ihres Wiederauferstehungsprozesses dar.  Dieses Mal haben sie es in der Hand, selbst über ihr Schicksal zu entscheiden. |